Thema
Flüsse wurden oftmals richtungsweisend für die Entstehung politischer oder kultureller Grenzen – physisch oder imaginiert. Die Donau fließt durch zahlreiche Staaten, verbindet Orte und Städte und trennt diese gleichzeitig auch voneinander. Die Wahrnehmung der Donau sowohl als Band, als auch als Grenze, wurde unter anderem durch kontinuierliche Machtwechsel und damit einhergehende Grenzverschiebungen geprägt. Besonders sichtbar wird dies am Beispiel des Durchbruchstals Eisernes Tor in der Grenzregion des heutigen Serbien und Rumänien, welches wegen seiner Lage und physischer Beschaffenheit Zuschreibungen als Grenze zwischen »Orient« und »Okzident«, aber auch zwischen »Wildnis« und »Zivilisation« erhielt.

In jener Region befand sich bis Anfang der 1970er Jahre die kleine Insel Ada Kaleh, ehemals Teil des Osmanischen Reiches. Die Entscheidung der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien und der Sozialistischen Republik Rumänien, ein gemeinsames Wasserkraftwerk im Eisernen Tor zu errichten, bedeutete, dass die Insel aufgrund des durch den Bau steigenden Wasserpegels zwingendermaßen überflutet würde. Die Insel-Bewohner*innen, die größtenteils starke kulturelle und sprachliche Verbindungen zum osmanischen Erbe Ada Kalehs hatten, mussten die Insel verlassen und konnten sich in Rumänien oder in der Türkei ansiedeln. Wie über die anstehende und letztlich vollzogene Überflutung der Insel seitens der Türkei berichtet wurde, soll im Fokus dieses Forschungsthemas stehen. Im engeren Sinne bettet es sich in erinnerungskulturelle Forschungen zur osmanischen und türkischen Wahrnehmung der Donau ein, im weiteren Sinne stehen Aspekte um Macht, Infrastruktur und Umwelt im Fokus.
Das Vorhaben ist Teil des Projekts »Contested Waterway. Governance and Ecology on the Lower Danube, 1800-2018«, welches das GWZO gemeinsam mit dem Leibniz-Institut für Ost- und Südosteuropaforschung (IOS) in Regensburg durchführt.