Themenfeld
Erbekonstruktionen und Kanonbildungen in Kunst, Literatur und Architektur
Kulturerbe ist keine konstante Wesenseigenschaft, sondern eine in stetem Wandel befindliche soziale Konstruktion. Die Frage, was unter Kulturerbe verstanden wird, wurde in der Geschichte immer wieder neu ausgehandelt, und sie löste häufig Auseinandersetzungen in Wissenschaft und Gesellschaft aus. Auch heute ist Kulturerbe – nicht zuletzt im Kontext postkolonialer Diskussionen und Ansprüche – ein hochaktuelles und umkämpftes Thema.
Mit Erbedefinitionen eng verknüpft sind Prozesse der kulturellen Kanonbildung, die nicht immer von Meinungsbildung auf breiter gesellschaftlicher Basis, sondern vielfach auch von autoritären Setzungen bestimmt sind, die über Jahrhunderte wirksam bleiben können. Das Themenfeld nimmt Erbekonstruktionen und Kanonbildungen in Kunst, Literatur, Musik und Architektur in den Blick. Ein besonderes Augenmerk gilt den zugrundeliegenden Aushandlungsprozessen, an denen Wissenschaft, Gesellschaft und Politik beteiligt sind.
Forschungsthemen
BELLUM ET ARTES. Kooperations- und Ausstellungsprojekt
Das Forschungs- und Ausstellungsprojekt untersucht und präsentiert gemeinsam mit zwölf Partnern aus sieben Ländern die Auswirkungen des Dreißigjährigen Krieges auf die Künste, Künstler und ihre Auftraggeber in Mitteleuropa.
Das Architekturerbe des Sozialismus neu denken
Zu den ehrgeizigsten urbanen und sozialen Experimenten der Sowjetunion gehörte die Errichtung neuer »sozialistischer Städte«. Nach dem Ende des Staatsozialismus erlebte dieses Erbe tiefgreifende Transformationen. Die Untersuchung richtet den Blick auf den Wandel seiner Wahrnehmung im Kontext lokaler Identitäten und nationaler Narrative.
Die große Utopie aus regionaler Perspektive
Wie lässt sich die Erfahrung der Stadt im Staatssozialismus jenseits des Narrativs vom »großen sozialistischen Urbanisierungsprojekt« interpretieren? Das Forschungsprojekt widmet sich der Sozialgeschichte der modernistischen Architektur im östlichen Europa sowie ihrer heutigen, im Wandel begriffenen, Wahrnehmung.
Erbe ohne Erben
In der östlichen Hälfte Europas lässt sich wie in kaum einem anderen Teil der Welt beobachten, dass Kulturgüter, die zunächst als Relikte einer unliebsamen Vergangenheit verdrängt werden, mit der Zeit als Erbe angeeignet werden können. Die Fallstudien gehen diesen Prozessen nach, wobei ein Bogen vom 19. Jahrhundert bis zur Gegenwart geschlagen wird.
Folklore in Ungarn als Projektionsfläche
Die Folklorepraktiken der vorindustriellen ländlichen Bevölkerung stellen einen wichtigen Bestandteil der kulturellen Identitätsbildung in Ungarn dar. Sie erlebten immer wieder besondere Konjunkturen und stehen als Mittel der Identitätspolitik auch heute hoch im Kurs. Das Dissertationsprojekt widmet sich den sozio-ökonomischen und politischen Dynamiken ihrer Interpretation von der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts bis in die Gegenwart.
Frauen im Dreißigjährigen Krieg
Die Forschungen widmen sich im Rahmen des Kooperationsprojekts "BELLUM & ARTES. Mitteleuropa im Dreißigjährigen Krieg" der Untersuchung der Frauen und ihrer von der historischen Forschung bisher stark vernachlässigten Rolle als gesellschaftliche, kulturelle und politische Akteurinnen im Dreißigjährigen Krieg. Als Abschluss des Projekts BELLUM & ARTES wird sich im Jahr 2017 eine internationale und interdisziplinäre Tagung diesem Themenkomplex widmen.
Kanonkonstruktionen
Im 19. und 20. Jahrhundert im östlichen Europa gefügte Kanones in Literatur und Kunst erfüllen die komplementäre Doppelfunktion von ästhetisch-kultureller Repräsentation und gemeinschaftsgebundener Identifikation. Welche Mechanismen bestimmen die Konstruktion der Kanones und wie lassen sich Wirken und Fortwirken des Kanons beschreiben?
Mobilität und Migration von Künstlern (DIKUSA)
Wie verbindet die Kunst bestimmte Orte in Sachsen? Welche Künstler, Artefakte und Auftraggeber kreuzten dort ihre Wege im Laufe des Jahrhunderts? Und wie kann digitale Technik helfen, dies darzustellen?
Nachkriegstransformationen historischer Stadtzentren nach dem Krieg
Der Wiederaufbau historischer Stadtzentren in der DDR sowie in den West- und Nordgebieten Polens führte zur Entwicklung unterschiedlicher Rekonstruktionsmodelle. Das Projekt untersucht die Vielfalt der angewandten Modelle – von Modernisierung und Funktionalität bis hin zu einer starken Betonung von Identität und Geschichte.
Neubewertung und Rekonstruktion
Der spätmoderne Massenwohnungsbau stellt einen Meilenstein in der ukrainischen Stadtentwicklung dar. Im Zuge der russischen Invasion werden seit 2022 Wohngebiete von der russischen Armee schwer beschossen, was zahlreiche Todesopfer und die Zerstörung des architektonischen Erbes zur Folge hat.
Stories of Ukraine’s Lost Homes
Das Projekt zielt darauf ab, die tiefgreifenden Veränderungen in den besetzten ukrainischen Gebieten seit 2014 zu dokumentieren und zu vermitteln. In einem virtuellen »Museum der verlorenen Häuser« sollen die Auswirkungen des russischen Staatsaufbaus, die Aneignung von »herrenlosem« Eigentum und die alltäglichen Erfahrungen der Vertreibung sichtbar gemacht werden.