Krieg und Pandemie: Die »Spanische Grippe« in Belgien und Polen (1918-1920)
»Die Mutter aller Epidemien« und »die größte Katastrophe des 20. Jahrhunderts« sind zwei gängige Charakterisierungen der Influenza-Pandemie von 1918, die – zu Unrecht – »Spanische Grippe« genannt wird. Diese Bezeichnungen zeugen von der Macht und der Schwere der Seuche, die sich in dem turbulenten Umfeld des Endes eines langen und verheerenden Krieges ausbreitete.
An der Westfront blieb auch Belgien nicht verschont. Die Krankheit grassierte zu einer Zeit, als die Härte des Krieges und die von den deutschen Besatzern auferlegte Zensur die Kommunikation über die Epidemie erschwerten, während die militärischen Operationen und die Ernährungskrise die Aufmerksamkeit der betroffenen Bevölkerungen auf sich zogen. Auch die polnischen Gebiete an der Ostfront wurden von der Ausbreitung der so genannten Hiszpanka nicht verschont. In Polen waren die Zahlen der Erkrankten und Toten waren ähnlich hoch wie im Westen (wenn nicht sogar höher). Dennoch wurden die Leiden der Polen – von wenigen Ausnahmen abgesehen – als Einzelfälle angesehen, die nicht im Mittelpunkt der öffentlichen Meinung standen und nur geringe Aufmerksamkeit der Behörden fanden.
Belgien und das Militärische Generalgouvernement Warschau sind in Bezug auf die Besatzung während des Ersten Weltkriegs vergleichbare Gebiete. Die deutschen Besatzer setzten ihre Unterdrückungsmaßnahmen und ihre Verwaltung auf sehr ähnliche Weise durch. Im Jahr 1918 war die Bevölkerung mit einer schweren Lebensmittelknappheit konfrontiert und durch vier Jahre Krieg erschöpft. Diese Bedingungen sowie die Spanische Grippe begünstigten den Ausbruch weiterer Epidemien.